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Wie lerne ich richtig? Wege zum selbstgestalteten Lernen 


Im folgenden werden einige wichtige Lernregeln und -techniken vorgestellt, die auf modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen und in praktischen Anwendungen erprobt wurden. Im Vordergrund steht dabei die Anwendbarkeit, allerdings wird darauf geachtet, auch den neuesten Stand der Forschung zu berücksichtigen.

Arbeitszeit und Zeitplanung

Die Hauptursache für Lernschwierigkeiten bei Schülern, Studenten und auch Berufstätigen liegt im Mangel an adäquaten Lerngewohnheiten und besonders im Umgang mit der Arbeitszeit und Lernzeit. Um zu einer sinnvollen Zeiteinteilung zu kommen, muß man daher eine Zeitplanung durchführen. Das eigentliche Lernen sollte daher erst nach der Planung der inhaltlichen Tätigkeiten und deren Verteilung über die zur Verfügung stehende Zeit durchgeführt werden. Zur Vorbereitung gehört des weiteren eine klare Festlegung der Ziele, denn nur wenn man weiß, wofür man lernt, kann eine adäquate Motivation aufgebaut werden.

Um die Sinnhaftigkeit einer Lernplanung zu unterstreichen, eine Zusammenstellung von "Lernstrategien im Studium" von Wild & Klein-Allermann, die jene Faktoren klassifiziert, die den Erfolg des Lernens beeinflussen:

1. Kerninformationen suchen

Aus einem zu lernenden Stoffgebiet müssen wir zunächst die "Kerninformationen" heraussuchen, die wir uns einprägen wollen. Wir müssen einführende Informationen verarbeiten, Querverbindungen herstellen, Zusammenhänge erkennen, wir müssen Erarbeitetes üben und möglichst vielfältige Anwendungen erproben. Dieser Schritt wird je nach Lernstoff unterschiedlich schwierig sein: in einem theoretischen Fach wird es mehr Nachdenken erfordern als etwa beim Fremdsprachenlernen.
2. Kurz- und Langzeitgedächtnis:

Der Großteil eines Lehrstoffes soll ja nicht wirklich gelernt werden, sondern dient dazu, uns zu bestimmten Problemen hinzuführen, vorbereitende Kenntnisse zu vermitteln oder die Anwendung und Bedeutung eines eben erarbeiteten Gesetzes zu illustrieren. Was wir wirklich einprägen müssen, sind jeweils kleine Kerninformationen, die allein den eigentlichen Lerninhalt darstellen. In allen Fällen müssen wir sie in Form einer kurzen schlagzeilenartigen Formulierung ausdrücken. Eigene Formulierungen sind deshalb besonders wichtig, da damit der Sinn bzw. die subjektiv erlebte Bedeutung eines Lerninhaltes in den Vordergrund gerückt wird. Nur was wir verstanden haben, kann dauerhaft eingeprägt werden. Diese Kerninformationen müssen sodann so angerichtet werden, daß die einzelnen Brocken unser Kurzzeitgedächtnis nicht überfordern, d.h., nicht mehr als 7 Einzelinformationen bzw. 10 Sekunden. Diese "Schlagzeilen" sind das Rohmaterial, das wir einprägen wollen.

3. Das Aktivierungsniveau

Die eigentliche Lernphase verlegen wir auf einen geeigneten Zeitpunkt (nicht unmittelbar nach einer üppigen Mahlzeit, nach körperlicher Anstrengung oder einer angenehmen oder unangenehmen Aufregung) und an einen geeigneten Arbeitsplatz (fix und zweckmäßig gestaltet, wenig Ablenkungen, gut Luft und ausreichende Beleuchtung). Das müssen wir schon bei der Lernplanung berücksichtigen (s.o.). Um einen Zustand erhöhter Leistungsfähigkeit herbeizuführen, lassen wir ein "Hirn ausleer"-Ritual ablaufen und bringen uns in eine kurze Entspannungsphase, in der wir alle störenden Gedanken und Vorstellungen beiseiteschieben. Erst dann ist unser Gedächtnis bereit, sich mit voller Konzentration mit dem eigentlichen Lerninhalt auseinanderzusetzen.

4. Das 5-10-20-Programm

In den Zustand erhöhter Konzentration zurückgekehrt, nehmen wir uns die erste Kerninformation vor. Handelt es sich bei ihr um einen besonders widerspenstigen Merkstoff, dessen Einprägung uns überdurchschnittlich schwerfällt, so können wir mit ihm ein Optimalprogramm durchführen und ihn im Laufe einer Stunde dreimal wiederholen. Bei jedem Wiederholungsdurchgang widmen wir ihm jeweils 5 Lernminuten, die durch zunehmend längere Intervalle von 5,10 und schließlich 20 Minuten getrennt werden.

5. Die schöpferische Pause

Im Anschluß an jeden Lerndurchgang sollten wir eine kurze Entspannungspause einlegen. Es unterstützt die Speicherung der eben gelernten Inhalte merklich, selbst wenn wir nur für eine halbe Minute abschalten! Machen Sie in der Pause einige Entspannungsübungen, z.B. die Windmühle oder die Zeitlupe! Und je ungestörter diese Pause abläuft, umso deutlicher ist ihr gedächtnisfördernder Effekt. Es wird freilich nicht immer möglich sein, nach jeder Portion eine echte Ruhepause einzulegen. Aber auch in diesem Fall gibt es einen einfachen Ausweg:

6. Das Schachbrettlernen

Verweilen wir beim einfachen Lernablauf niemals zu lange bei ein und demselben Kerninformationsbereich (Richtwert: 10 - 15 Minuten). Wir suchen uns für aufeinanderfolgende Lernphasen "unterschiedliche" Inhaltsbereiche aus und wenden uns nach jedem Block schachbrettartig einem Gebiet zu, daß dem eben bearbeiteten möglichst "unähnlich" ist. Diese Strategie, die wiederum gegen eine alte Regel "bei der Sache bleiben" - verstoßt, hat einen guten Grund: Je ähnlicher nämlich zwei geistige Aktivitäten sind, umso mehr gemeinsame Schaltstellen werden bei ihrem Ablauf in unserem Gehirn benutzt. Zwei völlig unähnliche Denkprozesse werden hingegen von ganz verschiedenen Gruppen von Nervenzellen gesteuert. Läuft die eine Aktivität ab, so sind alle Nervenzellen welche für die andere zuständig sind, gewissermaßen so gut wie im Ruhezustand. Dieses Schachbrettlernen halten wir natürlich auch im 5-10-20-Programm ein, indem wir die Intervalle mit Arbeiten aus möglichst kontrastierenden Stoffbereichen füllen.

7. Hilfsmittel für das Einprägen

Bei einigen besonders widerspenstigen Inhalten können wir uns auch helfen, indem wir uns eine möglichst anschauliche, bildhafte lllustration ausdenken. Diese Inhalte dürfen durchaus lustig, ja grotesk sein, und sollen ganz nach persönlichen Vorlieben ausgewählt werden. Je ungewöhnlicher und spaßiger eine solche Phantasieillustration ist, umso besser bleibt der Inhalt, den wir retten wollen, an ihr kleben. Es erfordert ein wenig Mühe und Einfallsreichtum, um ein solches Vorstellungscomic zu finden. Haben wir es aber, so kann mit seiner Hilfe geradezu blitzartig eine unauslöschliche Einprägung hergestellt werden. Für große Mengen von Einzelinformationen läßt sich eine selbst angelegte Lernkartei einsetzen. Sie ist von besonderem Wert, wenn wir sie ganz auf unsere persönlichen Bedürfnisse ausrichten. Die Inhalte des wichtigsten Faches sollten wir mindestens einmal täglich durchgehen. Wir müssen aber auch die weniger wichtigen Fächer gelegentlich durchgehen, und, ohne uns selbst zu beschwindeln, Karten notfalls wieder nach vorne reihen. In welchen Abständen die hinteren Fächer wiederholt werden, sollte jeder nach eigenem Belieben festlegen.


Ziel: Selbstgestaltetes Lernen

Alle genannten Empfehlungen werden erst wirksam, wenn wir sie durchdacht, ihren Sinn verstanden und ihre praktische Anwendung automatisiert haben. Nach seinen persönlichen Vorlieben wird sich jeder nach einiger Zeit ein individuelles Lernprogramm zurechtgelegt haben. Der eine wird vielleicht mehr Gebrauch von kurzen Entspannungspausen machen, der andere der straffen Organisation im Sinne des 5-10-20-Programms den Vorzug geben, ein Dritter mit besonderem Eifer Lernkarteien für verschiedenste Gebiete anlegen.

Werner Stangl