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Lernen als konstruktiver Prozeß 


Nicht erst seit COMENIUS, aber von ihm mit Vehemenz vorgetragen, gilt das Dogma für jeglichen, und damit auch schulischen Lernprozess, dass „nichts im Verstand, wo es nicht zuvor im Sinn gewesen“ sei und erst recht die didaktische Grundforderung an den Lehrer, dass es seine vordringlichste Aufgabe sei, dem Lernenden „sinnbare Sachen den Sinnen recht vorgestellet“ (COMENIUS 1685, Vortrag) anzubieten. Die entsprechende Anwendung gedächtnis- und lernpsychlogischer Gesetzmäßigkeiten wie auch schulpädagogisch begründete Arrangements des Unterrichts und (fach-)didaktische Raffinessen bilden den Grundstock einer Instruktion, deren erklärtes Ziel eine möglichst effiziente Aneignung von Wissen ist. Gleichermaßen lautstark werden inzwischen jedoch Zweifel an eben dieser Effizienz geäußert, wenn man einerseits von „trägem Wissen“ 1) spricht, das darüber zustande kommt, bzw. eine Kluft zwischen Wissen und Handeln andererseits beklagt, deren Überwindung man von Lernprozessen erwartet, die ihr Hauptaugenmerk auf die Konstruktion von Wissen legen.

Paradigmawechsel: Aufbruch in neue Lernwelten?

Interpretiert man die zunehmende Zahl der einschlägigen Veröffentlichungen im Sinne einer entsprechenden Bedeutungszunahme, so befinden wir uns gerade in einer Phase, die der Wissenschaftshistoriker KUHN einmal als den Zeitraum beschrieben hat, in der ein in der Wissenschaft (ehedem) gültiges Paradigma 2) gerade im Begriff ist von einen neuen abgelöst zu werden.

Hatten GROEBEN & SCHEELE 1977 „Argumente für eine Psychologie des reflexiven Subjekts“ und damit in Deutschland die Verabschiedung vom behavioristischen Subjektmodell paradigmatisch dokumentiert, so scheint ausgangs des 20. Jahrhunderts und dem Übergang zum 3. Jahrtausend ein weiterer Paradigmenwechsel in den Geistes-/Sozial-/Humanwissenschaften fällig: Der Konstruktivismus 3).

Zwar „klopfte“ er bereits Ende der 70er-/Anfang der 80er-Jahre an den Elfenbeinturm der Wissenschaft und begehrte Einlaß, wurde allerdings mehr oder weniger schroff abgewiesen. In seiner „radikalen“ Form geht der Konstruktivismus nämlich tatsächlich an die „Wurzel“ (lat. radix=Wurzel) menschlicher Erkenntnisfähig- und tätigkeit, postuliert er doch provokant nicht weniger als Zweifel an bzw. überhaupt die Unmöglichkeit der Übereinstimmung von Wissen und Wirklichkeit: "Die Umwelt, so wie wir sie wahrnehmen, ist unsere Erfindung" (von FOERSTER 1995, S. 40).

Galt doch bisher fraglos, dass das herausragende Merkmal menschlicher Geistestätigkeit der erkennende Umgang mit den Gegenständen seiner Umwelt sei: Durch seine Sinne erfährt der Mensch das objektiv Gegebene, Aufgabe des Wissens ist die Repräsentation dieser Realität. All das sollte plötzlich nicht mehr Gültigkeit haben?

1) „Was wir wissen, gilt im allgemeinen für das Ergebnis unserer Erforschung der Wirklichkeit. Von dieser Wirklichkeit nimmt der gesunde Menschenverstand nämlich an, daß sie gefunden werden kann...

2) Wie wir wissen, ist ein bereits viel schwierigeres Problem. Um es zu erforschen, muß der Verstand aus sich heraustreten und sich selbst sozusagen bei der Arbeit beobachten. Hier haben wir es also nicht mehr mit scheinbaren Tatsachen zu tun, die unabhängig von uns ìn der Außenwelt bestehen, sondern mit geistigen Prozessen, von denen es nicht mehr fraglos feststeht, wie sie verlaufen....

3) Wenn nämlich das Was des Wissens vom betreffenden Erkennntnisvorgang, dem Wie, bestimmt wird, dann hängt unser Bild der Wirklichkeit nicht mehr nur davon ab, was außerhalb von uns der Fall ist, sondern unvermeidlich auch davon, wie wir dieses Was erfassen“ (WATZLAWICK 1995, S. 9).

Solchermaßen Einlaß begehrend, konnte sich der neue Paradigma-Kandidat der Häme sämtlicher Wissenschaften sicher sein, teilt dieses Schicksal jedoch mit manch historischem Vorbild: „Zu Beginn hat ein neuer Paradigmakandidat vielleicht nur wenige Befürworter, und gelegentlich mögen ihre Motive fragwürdig sein“ (KUHN 1978, S. 169).

Und man vertraute darauf, dass wie so viele Moden, auch der Konstruktivismus der 'dernier cri' einer vorübergehenden 'Salon'philosophie bleiben würde: „Der Konstruktivismus ist die Modephilosophie der neunziger Jahre“ (JUNG)

Verdächtig machte das neue Denken vor allem der Anspruch auf Gültigkeit in allen Wissenschaften: Kybernetik, (Neuro-) Biologie, (Wissens-) Psychologie etc.; zudem konnte es sich auf Koryphäen aus den (Natur-) Wissenschaften berufen, die qua ihrer erbrachten Leistungen jeglichen wissenschaftlichen 'Spinnertums' unverdächtig waren, EINSTEIN beispielsweise: “Es ist vielmehr Theorie, die entscheidet, was man beobachten kann“ oder HEISENBERG , der z.B. die Schwierigkeiten des Erkenntnisprozesses in der Physik so beschrieb: „...und wir müssen uns daran erinnern, daß das, was wir beobachten, nicht die Natur selbst ist, sondern Natur, die unserer Art der Fragestellung ausgesetzt ist“; allesamt Hinweise auf einen Abschied vom herkönmmlichen Erkenntnis-Modell, das auf der Trennung von Subjekt und Objekt basiert und der Hinwendung zu einem Erkenntnismodell, in dem

• das erkennende Subjekt, • das zu erkennende Objekt und • das Erkennen als Prozess

untrennbar verknüpft sind.

Die gegenwärtige Konstruktivismus-Debatte ist sicherlich noch nicht an einem Punkt angelangt, von dem aus man behaupten könnte, dass der Konstruktivismus die Probleme, die uns heute und zukünftig bedrängen, einer abschließenden (gedanklichen) Lösung zugeführt hätte; auch für den Konstruktivismus gilt:

„Wenn ein neuer Paradigma-Anwärter zum ersten Male vorgeschlagen wird, hat er meistens nur wenige der Probleme, denen er sich gegenübersieht, gelöst, und die meisten dieser Lösungen sind bei weitem noch nicht vollkommen“ (KUHN 1978, S. 166).

„Wie wirklich ist die Wirklichkeit?“ (WATZLAWICK)

Gegenstandsbereiche konstruktivistischen Denkens

1. Konstruktivismus als Erkenntnisphilosophie

In dieser Sphäre wird konstruktivistisches Denken tatsächlich auf die (gedankliche) Spitze getrieben: Objektivität und subjektunabhängiges Erkennen sind unmöglich: Die Wirklichkeit ist immer eine kognitiv konstruierte Wirklichkeit des erkennenden Individuums, die Verbindlichkeit erlangt, wenn diese Ein-„Sicht“ der Dinge von anderen geteilt wird (vgl. Abb. 1). „Der radikale Konstruktivismus ist also vor allem deswegen radikal, weil er mit der Konvention bricht und eine Erkenntnistheorie entwickelt, in der die Erkenntnis nicht mehr eine »objektive«, ontologische Wirklichkeit betrifft, sondern ausschließlich die Ordnung und Organisation von Erfahrungen in der Welt unseres Erlebens“ (von GLASERSFELD 1995, S. 23).

Was sich in philosophischer Diktion als sehr komplex darstellt, ist in der Geschichte wissenschaftlicher Erkenntnisgewinnung, aber auch in den existierenden subjektiven Erklärungsmustern für Phänomene des Alltags allseits präsent: Weltbilder entstehen im Kopf

Wie geht das Konstruieren einer Wirklichkeit? von FOERSTER demonstriert dies an einem Beispiel, das DESCARTES 1664 publizierte:
„Ist das Feuer A dem Fuße B nahe, so besitzen die Feuerteilchen, die sich bekanntlich mit hoher Geschwindigkeit bewegen, die Kraft, in die Haut des Fußes einzudringen, den sie berühren; während sie so den dünnen Faden c bewegen, der am Grund der Zehen und am Nerven befestigt ist, öffnen sie gleichzeitig den Eingang der Pore d, e, an dem dieser Faden endigt, genau so, als würde man am Ende einer Schnur ziehen und damit zur gleichen Zeit eine am Ende befestigte Glocke zum Klingen bringen. Da nun die Pore oder der kleine Abzug d, e, offensteht, kann durch sie der Lebensgeist aus der Höhle F entweichen und fortgeleitet werden, ein Teil in die Muskeln, die den Fuß vom Feuer zurückziehen, ein Teil in die Muskeln, die Augen und Kopf dem Fuß zuwenden, und ein Teil in jene Muskeln, die die Hände vorstrecken und den Körper beugen, um den Fuß zu schützen“ (DESCARTES zit. nach von FOERSTER 1995, S. 53)

Wer fühlt sich hier nicht an 'kindliche' Denkmuster , wie sie beispielweise PIAGET ausführlich beschrieben hat, erinnert, die u.a. im Unterricht immer wieder einmal unvermittelt auftauchen und von der Lehrkraft vermeintlich realistisch vom „Kopf wieder auf die Füße“ gestellt werden müssen?

2. Konstruktivismus in Soziologie/Sozialpsychologie

Auch diese Strömung geht letztlich davon aus, dass die Wahrnehmung gesellschaftlicher Phänomene auf der Konstruktion und Interpretation der 'vergesellschafteten' Individuen beruht. Programmatisch kommt dies im 'Standardwerk' mit dem Titel „Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit“ (BERGER & LUCKMANN) zum Ausdruck 4) und findet in der konstruktivistischen Position von LUHMANN den wohl zur Zeit populärsten, aber auch nicht unumstrittenen Vertreter eines systemtheoretischen Ansatzes, der auch sehr stark die Sichtweise der 'Schule als Lernsystem' beeinflußt hat.

3. Konstruktivistische Ansätze in der (Pädagogischen) Psychologie und Empirischen Pädagogik

Diese Ansätze, wenn auch gerade erst im Entstehen begriffen, thematisieren eine veränderte Sichtweise von Unterricht, insbesondere bezogen auf die Pädagogik und Psychologie des Wissenserwerbs, in deren Mittelpunkt zum einen der Lernende und seine je individuelle Wissenskonstruktion rückt, zum anderen die Verbindung von Wissenserwerb und -anwendung.

„Versteht man den Konstruktivismus als eine Perspektive und verzichtet man auf einen fundamentalistischen Geltungsanspruch, dann bietet er gegenwärtig den vielleicht vielversprechendsten theoretischen Rahmen für eine Analyse des Wissenserwerbs in den unter schiedlichsten sozialen Kontexten“ (GERSTENMAIER & MANDL 1994, S. 25).

Basisannahmen konstruktivistischer Lernumgebungen:

• Wissen ist unabgeschlossen. • Wissen wird individuell und in sozialen Bezügen konstruiert. • Lernen ist ein aktiver Prozess. • Lernen erfolgt in vieldimensionalen Bezügen. • Unterrichtsgestaltung ist vordringlich eine Frage der Konstruktion. • Lernende erfahren so wenig Außensteuerung wie möglich. • Lehrende fungieren als Berater/Mitgestalter von Lernprozessen. • Unterrichtsergebnisse sind nicht vorhersagbar.


Grundpositionen konstruktivistischen Lernens

• Konstruktion als Basis pädagogischer Handlungsmuster

„Wir sind die Erfinder unserer Wirklichkeit“ (REICH 1996)

Entscheidend für den konstruktiven Prozeß des Wissenserwerbs sind bereits bestehende Wissensstrukturen; der Lernende konstruiert sein Wissen, indem er die Erfahrungen in Abhängigkeit von diesem Vorwissen und auf Grundlage bestehender Überzeugungen interpretiert.

• Rekonstruktion als Übernahme bereits vorhandener Konstruktionen

„Wir sind die Entdecker unserer Wirklichkeit“ (REICH 1996)

Die dingliche und soziale Welt ist bereits vorab durch andere in vielfältiger Weise konstruiert worden, nicht alles muß neu und eigenständig konstruiert werden; dieses gilt es nachzuentdecken.

• Dekonstruktion als Möglichkeit kritischer Neuordnung

„Wir sind die Enttarner unserer Wirklichkeit“ (REICH 1996)

Der potentiellen Gefahr, dass eine unreflektierte Konstruktion bzw. unkritische Übernahme vorhandener Konstruktionen stattfindet, wird durch die Möglichkeit bzw. Notwendigkeit des Zweifels, der Frage nach Ergänzungen, nach anderen Blickwinkeln, durch Wechsel des (auch intellektuellen) Standpunktes begegnet.

Balanceakt zwischen Instruktion und Konstruktion

„Konstruktion und Instruktion lassen sich nicht nach einem Alles-oder-Nichts-Prinzip realisieren.

Lernen erfordert zum einen immer Motivation, Interesse und Aktivität seitens des Lernenden: Jeder Lernprozeß ist also konstruktiv, und es muß oberstes Ziel des Unterrichts sein, den Lernenden Konstruktionen zu ermöglichen und diese anzuregen.

Lernen erfordert zum anderen aber auch Orientierung, Anleitung und Hilfe: Jeder Lernprozeß ist also interaktiv, und es ist eine weitere zentrale Aufgabe des Unterrichts, Lernende unterstützend zu begleiten und ihnen hilfreiche Instruktionen anzubieten“ (MANDL & REINMANN-ROTHMEIER 1995, S 53).

MANDL u.a. sehen eine Verständigungsmöglichkeit und gleichzeitige Neuorientierung, indem man Lernprozess und Wissenserwerb thematisiert als:

• aktiver Prozess

Effizientes Lernen ist auf intrinsische Motivation, Interesse und die aktive Auseinandersetzung mit den Lerngegenständen angewiesen; eine bloß rezeptive Haltung des Lernenden führt zu dem beklagten „trägen Wissen“.

„Folgen wir dieser Orientierung müssen wir als LehrerInnen akzeptieren, daß SchülerInnen sich die angebotenen
Lerninhalte nach ihren Regeln und Vorerfahrungen, nach ihren eigenen Verständniszugängen und im Kontext ihrer je individuellen Lebenswelt aneignen“ (WERNING in: VOSS 1996, S. 252).

• selbstgesteuerter Prozess

Der Lernprozess wird in hohem Maße vom Lernenden in Bezug auf Auswahl der Lerngegenstände, des Aufwandes an Lernzeit und dem methodischen Zugang selbst reguliert; ein Mindestmaß an Fremdsteuerung durch den Lehrer gewährleistet die Initiierung und die Kontinuität des Lernprozesses selbst dann, wenn die Qualität der Selbststeuerung noch nicht im wünschenswerten Rahmen ausgeprägt ist.

• konstruktiver Prozess

Die konstruktivistische Perspektive des Wissenserwerbs betrachtet den Lernprozess als den je individuellen Aufbau von vielfältigen Bezügen, die in ihrer Vernetzung das Insgesamt der Wissenstrukturen ergeben, die wiederum in verschiedenen Situatioen, Zusamm enhängen, sozialen Kontexten Verwendung finden. Dies läßt eine weitgehend individuelle Interpretation der Wirklichkeit zu, erlaubt unterschiedliche Sichtweisen ein und derselben Wirklichkeit aufgrund unterschiedlichen Vorwissens, diverser Neigungen, divergierender Interessenlage etc.

• situativer Prozess

Kenntnisse und Fertigkeiten sollten nach Möglichkeit in Situationen erworben werden, die zumindest strukturell sehr ähnlich dem Anwendungszusammenhang entsprechen, für den eben diese Kenntnisse und Fertigkeiten relevant sein sollen. Das Ausblenden der außerschulischen 'Realität' aus dem Schulalltag ist völlig ungeeignet, anwendbares Wissen zu erwerben.

• sozialer Prozess

Die Konstruktion und Interpretation von Weltbildern ist vom Ausgangspunkt her zwar eine rein individuelle Geistestätigkeit; soziale Prozesse sind notwendigerweise bestimmend. Der Lernende erwirbt von und in Gemeinschaft mit anderen Wissen, Fertigkeiten, ab er auch Einstellungen, konstruiert interpersonale Beziehungen, entwickelt soziale Kompetenzen.

Fazit, gleichzeitig Ausblick und Aufruf:

„Der Konstruktivismus ist ein Experiment. Und es gehört zur Natur von Experimenten, daß sie konfus, widersprüchlich und vieldeutig ablaufen. Es wird getüftelt und ausprobiert, improvisiert und schematisiert, Ideen werden ausgedacht, geprüft und verworfen, es werden Fehler gemacht, korrigiert, oder durch neue Fehler ersetzt. In diesen Vorgängen zeigt sich der eigentliche Wert des konstruktivistischen Unternehmens, nämlich die Tatsache, daß hier kreatives wissenschaftliches Leben stattfindet“ (JUNG 1995, S. I I).

Damit aus dem 'Pflänzchen' auch ein mächtiger „Baum der Erkenntnis“ für die Lernpsychologie und ihrer produktiven schulpädagogischen Umsetzung werde, bedarf es vieler 'konstruktiver' Paten, die das anspruchsvolle Konzept in Schulpraxis umsetzen 5) :

„Man braucht in der Tat gar nicht sehr tief in das konstruktivistische Denken einzudringen, um sich darüber klar zu werden, daß diese Anschauung unweigerlich dazu führt, den denkenden Menschen und ihn allein für sein Denken, Wissen, und somit auch für sein Tun, verantwortlich zu machen. Heute, da Behavioristen nach wie vor alle Verantwortung auf die Umwelt schieben und Soziobiologen einen großen Teil auf die Gene abwälzen möchten, ist eine Lehre ungemütlich, die andeutet, daß wir die Welt, in der wir zu leben meinen, uns selbst zu verdanken haben“ (von Glasersfeld 1995, S. 17).

Anmerkungen:

1) „Träges Wissen“ (inert knowledge): Wissen, das, zwar erworben, nicht in adäquater zur Anwendung gebracht werden kann, da es in abstrakten Bezügen angeeignet wurde, die mit der konkreten Anwendungssituation wenig zu tun haben; es verbleibt quasi 'träge' im Kopf; es entsteht eine Kluft zwischen Wissen und Handeln.

2) Paradigmata: „Darunter verstehe ich allgemein anerkannte wissenschaftliche Leistungen, die für eine gewisse Zeit einer Gemeinschaft von Fachleuten maßgebende Probleme und Lösungen liefern“ (KUHN 1978, S. 10).

3) Konstruktivismus: Bezeichnung für eine insgesamt nicht einheitliche, sich interdisziplinär verstehende Auffassung von Wissenschaft, in deren Mittelpunkt die Vorstellung einer Welt steht, die nicht unabhängig von den darin existierenden Individuen interpretiert werden kann: Die vermeintlich objektive Wirklichkeit sei eine immer subjektiv konstruierte und interpretierte Wirklichkeit, die in einem gemeinsamen Prozess der Kommunikation erst Verbindlichkeit erlangt.

Konstruktivisten: Wegbereiter des Konstruktivismus waren österreichische Emigranten: Paul WATZLAWICK, Heinz von FOERSTER, Ernst von GLASERSFELD; chilenische Neuro-Biologen: Humberto MATURANA, Francisco VARELA

4) Die Auswirkungen 'medialer Wirklichkeitskonstruktion' konnte die Öffentlichkeit am Beispiel des Produzenten von Fernseh-Reportagen begutachten, der seine 'Fakes' (='getürkten Berichte') diversen Fernsehanstalten als vermeintlich realistisches Abbild gesellschaftlicher Wirklichkeit 'andrehen' konnte.

5) Der Verfasser ist sich seiner Bringschuld durchaus bewußt: Nach den doch sehr abstrakten, aber zum Verständnis notwendigen theoretischen Bemühungen um eine Einschätzung und Einordnung des Konstruktivismus, steht die Darstellung konstruktivistischer Überlegungen zu schulpädagogischen und didaktischen Implikationen noch aus.

Literatur:

BERGER, P. & LUCKMANN, T. (1980). Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Frankfurt a. Main: Fischer.
COMENIUS, J.A. (1658). Orbis sensualium pictus. Nürnberg: Michael Endter.
FOERSTER, H. von (1995). Das Konstruieren einer Wirklichkeit. in: WATZLAWICK, P. (Hrsg.). Die erfundene Wirklichkeit. Wie wissen wir, was wir zu wissen glauben. (9. Aufl.). München: Piper. S. 39-60.
GERSTENMAIER, J. & MANDL, H. (1994). Wissenserwerb unter konstruktivistischer Perspektive (Forschungsbericht Nr. 33). München: Ludwig-Maximilians-Universität, Lehrstuhl für Empirische Pädagogik und Pädagogische Psychologie.
GLASERSFELD, E. von (1995). Einführung in den radikalen Konstruktivismus. in: WATZLAWICK, P. (Hrsg.). Die erfundene Wirklichkeit. Wie wissen wir, was wir zu wissen glauben. (9. Aufl.). München: Piper. S. 16-38.
HARTKEMEYER, M. & HARTKEMEYER J. (1996). Vom Baum der Erkenntnis: Wie wirklich ist die Wirklichkeit? in: Süddeutsche Zeitung Nr. 166 vom 20./21.07.1996: Bildung und Beruf.
MANDL, H. & REINMANN-ROTHMEIER, G. (1995). Unterrichten und Lernumgebungen gestalten. (Forschungsbericht Nr. 60). München: Ludwig-Maximilians-Universität, Lehrstuhl für Empirische Pädagogik und Pädagogische Psychologie.
MATURANA, H. R. & VARELA, F. J. (1987). Der Baum der Erkenntnis: Die biologischen Wurzeln menschlichen Erkennens. Bern uund München: Scherz Verlag (Goldmann Taschenbuchausgabe 11460).
JUNG, J. (1995). Wirklichkeit wird immer erfunden. Phantasie, Pluralismus und Toleranz - die Modephilosophie des Konstruktivismus. in: Süddeutsche Zeitung Nr. 104 vom 6./7.05.1995: Feuilleton-Beilage, S. II.
KUHN, Th. S. (1978). Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen. (3. Aufl.). Frankfurt/Main: suhrkamp taschenbuch wissenschaft 25.
LUHMANN, N. (1990). Konstruktivistische Perspektiven. Opladen: Westdeutscher Verlag.
MÜLLER, K (Hrsg.). (1996). Konstruktivismus: Lehren-Lernen-Ästhetische Prozesse. Neuwied u.a.: Luchterhand.
REICH, K. (1996). Systemisch-konstruktivistische Pädagogik: Einführungen in Grundlagen einer interaktionistisch-konstruktivistischen Pädagogik. Neuwied u.a.: Luchterhand.
REINMANN-ROTHMEIER, G. & MANDL, H. (1996). Lernen auf der Basis des Konstruktivismus: Wie Lernen aktiver und anwendungsorientierter wird. in: Computer und Unterricht 23/1996, S. 41-44.
VOSS, R. (Hrsg.). (1996). Die Schule neu erfinden: Systemisch-konstruktivistische Annäherungen an Schule und Pädagogik. Neuwied u.a.: Luchterhand.
WATZLAWICK, P. (Hrsg.) (1995). Die erfundene Wirklichkeit. Wie wissen wir, was wir zu wissen glauben. (9. Aufl.). München: Piper.

WWW-Online-Dokumente:
ESSL, K. : Kompositorische Konsequenzen des Radikalen Konstruktivismus. http://www.ping.at/users/essl/bibliogr/rad-konstr.html
PETERSEN, P.: Konstruktivistische Überlegungen zum voraussetzungsfreien Aufbau der Erziehungswissenschaft : Aspekte einer Protowissenschaft der Pädagogik. http://www.uni-kiel.de:8080/Paedagogik/Krope/docs.html
REINMANN-ROTHMEIER, G. & MANDL, H.: Wissen und Handeln: eine theoretische Standortbestimmung (Forschungsbericht Nr. 70). http://infix.emp.paed.uni-muenchen.de/lsmandl/forschbe/lit70.htm

Werner Brandl M.A.