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Lernforscher Mandl fordert mehr Praxisbezug 


"Zu viel träges Wissen". Die Studenten lernen viel, aber sie können ihr Wissen oft nicht anwenden. Der Psychologe und Lernforscher Heinz Mandl fordert mehr Praxisbezug.

FOCUS: Sie haben festgestellt, dass die Studierenden an den Universitäten oft Schwierigkeiten haben, ihr angelerntes Wissen praktisch umzusetzen. Läuft da was falsch an unseren Unis?

Mandl: Die Studenten erwerben eine Menge so genanntes träges Wissen. Die mangelnde Anwendungsqualität dieses Wissens hängt mit der Art des Wissenserwerbs zusammen. Wenn es unabhängig von konkreten Anwendungs- und Problemsituationen passiv erworben wird, bleibt es meist isoliert.

FOCUS: Was können die Unis unternehmen, um das zu ändern?

Mandl: Der Unterricht sollte, wo es sinnvoll ist, problemorientierter gestaltet werden, d.h., die Studierenden sollten versuchen, anhand von konkreten, authentischen Fällen ihr Wissen anzuwenden.

FOCUS: Müssen sich die Studenten dieses "anwendbare Wissen" nicht auch ohne fremde Hilfe aneignen?

Mandl: Sie sollten es auf jeden Fall versuchen. Ich rate, sich in kleinen Gruppen zusammenzutun, sich eine ganz konkrete Problemstellung vorzunehmen und gemeinsam mögliche Lösungswege zu diskutieren. Das übt gleichzeitig kooperatives Teamverhalten ein, was ja immer wichtiger wird.

FOCUS: Heißt das auch, dass sich die Studierenden zusätzlich um fachliches Know-how außerhalb der Uni-Mauern kümmern müssen?

Mandl: Ja natürlich. Der Erwerb von Erfahrungswissen im Rahmen von Praktika in Betrieben oder in Organisationen ist sogar außerordentlich wichtig. Fachliches Know-how entsteht nämlich nur aus der Verknüpfung von theoretischem Wissen und Erfahrungswissen. Außerdem bekommt man schon früh ein eigenes Profil.

FOCUS: Auf die Studenten stürmen immer mehr Informationen ein. Wie lernen sie, mit dieser Fülle richtig umzugehen?

Mandl: Ich denke, dass Fähigkeiten im Wissensmanagement bald zu einer der wichtigsten Schlüsselqualifikationen gehören werden. Die Studierenden müssen so früh als möglich lernen, sich eigenständig Ziele zu setzen und dafür die relevanten Informationen zu finden. Dafür müssen sie selbstverständlich mit den neuen Medien umgehen, um auf dem Arbeitsmarkt zukünftig bestehen zu können. Diese Kompetenzen werden sie sich allerdings selbstständig aneignen müssen.

FOCUS 42/1999